Berner Wochenende an der Gespannfahrer SM 2016 mit Freiberger-Fohlenauktion
Die Fahrsportgruppe Bern und das Nationale Pferdezentrum in Bern boten einmal mehr beste Voraussetzungen für eine faire und attraktive Schweizermeisterschaft. Auch die in die Veranstaltung integrierte Freiberger-Fohlenauktion erfüllte alle Erwartungen.
Das Publikumsinteresse war gross und die Hälfte der angebotenen Fohlen fanden einen Käufer.
Alle Titel bei den Grosspferdeprüfungen und der höchste Fohlen-Preis blieben im Kanton Bern.
Im zentralen Paddock des NPZ steckte Parcoursbauer Gilles Grandjean sieben Hindernisse so aus, dass viele Varianten möglich waren. Die Marathonstrecke war gegenüber der NPZ Drivers Challenge etwa zwei Kilometer länger. «Sehr gut und fair sind die Bedingungen auf dem Gelände des Nationalen Pferdezentrums in Bern für Fahrsportler und für fremde Organisatoren» meinte Daniel Wüthrich als Jurypräsident und Mitglied in der organisierenden Fahrsportgruppe Bern. So erfolgreich wie die Veranstaltung auch verlaufen war, so unzufrieden waren viele mit dem Geschehen am Rande des Fahrsports.
Kritische Stimmen nehmen zu
Daniel Wüthrich meinte: «Es braucht wieder mehr Freude am Fahren und wieder mehr charakterstarke Fahrsportler.» Auch Hanspeter Rüschlin und Daniel Würgler bliesen ins gleiche Horn. «Mehr Solidarität, Fairness und Anstand sei notwendig, wenn sich der Fahrsport nicht selber zerstören wolle, meinten sie. Es fehle bei bestimmten Leuten auch gegenüber Dressurrichtern an Respekt und Akzeptanz. Einzig bei den Ponyfahrern scheint die Welt in Ordnung zu sein. «Sie helfen einander und zeigen ihre Freude am Fahrsport», meinte Daniel Würgler. Immer wieder wurden Vergleiche mit dem Schwingsport gemacht: Dort werde echte Solidarität, Tradition und Zuschauergeist gelebt, und Nachwuchssorgen würden sie auch keine kennen, war die Meinung.
Auch im Vierspännerlager herrscht Verunsicherung:
Wie geht’s mit Werner Ulrich weiter?
Wer vermag den teuren Fahrsport noch?
Wie viel Aufwand ist der Erfolg überhaupt wert?
Fragte sich beispielsweise Willy Birrer. Die Situation ist schwierig für Neueinsteiger. Der Zeitaufwand, die Kosten und das Niveau sind extrem hoch.
Lichtblicke im Fahrsport gibt es aber trotzdem. Mit Stefan Ulrich hat seit langem wieder unter 20-jähriger einen Titel gewonnen. Das Leitungsteam Fahren ist sich dem Nachwuchsproblem bewusst und hat mit einem Juniorencup darauf reagiert. Zudem können private Anhänger im „Göttiprojekt“ von Werner Ulrich auch finanzielle und ideelle Unterstützung bieten.
Angst vor der Zukunft im Schweizer Vierspännersport
Zwischenbericht vom Samstag:
Verletzungsbedingte Absenzen bei den Vierspännern lassen die Meisterschaft in der Königsdisziplin zu einer Rumpfmeisterschaft werden. Durch die Abwesenheit von Jérôme Voutaz, dem Hallenweltcup-Vierten der vergangenen Wintersaison scheint die Meisterschaft für Werner Ulrich ein problemloses Heimspiel zu sein. Nach Dressur und Marathon beträgt sein Vorsprung auf Willy Birrer bereits mehr als 12 Punkte Weil sich Jérôme Voutaz eine Woche vorher in Donaueschingen verletzt hatte, und ein Pferd von Tandemfahrerin Marlies Reifler den Vet.-Check nicht bestand, schmolz das Feld in der Königskategorie auf drei Gespanne.
Doch am Sonntag waren sich alle Zuschauer einig:
Werner Ulrich, Willy Birrer und Martin Wagner boten guten Sport, doch mehr Gespanne werden gewünscht. In Bern wurde es augenfällig, dass die Zukunft im Schweizer Vierspännersport auf wackeligen Füssen steht. Ein Fundament mit Werner Ulrich und Jérôme Voutaz besteht zurzeit noch – doch wie lange noch? Wie lange Werner Ulrich diesen Sport noch betreiben darf, ist nicht definitiv entschieden, und keiner der ehemaligen Konkurrenten macht den Anschein, wieder in den Leistungssport zurückzukehren.
Werner Ulrich hat in Bern seinen 19. Titel vor Willy Birrer und Martin Wagner gewonnen. Noch mehr freut ihn aber der Erfolg seine Sohnes Stefan und die Arbeit für sein Nachwuchs-Göttiprojekt. Er glaubt wie kaum ein anderer an die Zukunft des Fahrsportes, auch wenn der Weg anstrengend und steinig ist.
Zwist an der Spitze der Einspänner-Fahrer
Viel Gesprächsstoff lieferte die Absenz von Michael Barbey, Eric Renaud, Andrea Bieri und Daniel Aeschbacher in der Einspänner-Prüfung. In den vergangenen Monaten herrschte Streit um Selektionskriterien, Leistungsbeurteilung und Reglementsparagraphen. Die Meinungsdifferenzen an der Spitze der Einspännerfahrer gipfelten schlussendlich mit Kaderaustritten. «Kaderfahrer gehören an eine Schweizermeisterschaft!» war immer wieder zu hören. «Wenn dies nicht so ist, so werden der Sport und die Veranstalter damit bestraft.»
In Bern waren 17 Einspänner am Start. Der Wettkampf wurde im Duell von Stefan Ulrich und Leonhard Risch entschieden. Die Abstände an der Spitze waren immer knapp. Stefan Ulrich bewies aber seine Nervenstärke bis über die Ziellinie im Hindernisfahren. Dritter in den Titelkämpfen der Einspänner wurde Urs Bernhard.
Warmblut, Kaltblut, Freiberger und Haflinger
Favorit Bruno Widmer lag auch nach seinem Titelgewinn im Vorjahr wieder von Beginn weg in Führung. Wie kaum ein Zweiter kann er seinen Beruf als Bierfuhrmann mit dem Hobby des Gespannfahrens verbinden. Je nach Situation und Verfassung seiner Pferde setzt er meist die beiden Schweizer Warmblutrappen ein. In besonderen Situationen, wie im Hindernisfahren in Bern kommt aber wieder ein Schwarzwälder Fuchs der Brauerei Egger zum Einsatz. Trotz Siegen in Dressur und Marathon musste er bis zum Ziel im Hindernisfahren zittern, denn sein Hauptkonkurrent Marcel Luder lag ihm mit dem Freiberger-Gespann immer dicht auf den Fersen. Trotz dem Sieg im Hindernisfahren schaffte es Luder aber nicht, Bruno Widmer am Titelgewinn zu hindern. Dritter wurde überraschend der Haflingerfahrer Michael Bühlmann.
Ponygespanne
Die beiden Pony-Viererzüge von Yannik Scherrer und Dominic Falk hatten die SM-Qualifikation geschafft, doch mit zwei Teilnehmern werden keine Medaillen vergeben. Deshalb erlaubte das Leitungsteam den beiden Fahren, einen Start bei den Pony-Zweispännern. Yannik Scherrer nutzte die Chance, den Zweispänner-Titel zu gewinnen. Hinter ihm klassierten sich Christof König und Lea Schmidlin.
Die Pony-Einspänner Konkurrenz dominierte Doris Schmid mit ihrem grossen Sportpony. Sie deklassierte ihre Konkurrenz mit Siegen in allen drei Teildisziplinen und einem Vorsprung von mehr als 23 Punkten. Sie feierte so ihren dritten Schweizermeistertitel. Über Silber und Bronze freuten sich die beiden Haflingerfahrer Linus Berther und Hans Barmettler.
«Die Leistungen im Lager der Ponyfahrer wecken Hoffnung auf die Pony-WM im nächsten Jahr im deutschen Minden», meinte anschliessend Beat Schenk als Sportverantwortlicher im Leitungsteam Fahren SVPS.
Juniorencup als Sprungbrett
Erstmals hat der SVPS auch im Fahren einen Juniorencup ausgeschrieben.
Vier jugendliche Fahrer mit Fahrbrevet aber ohne Fahrerlizenz freuten sich, am Sonntag vor dem Hindernisfahren der Vierspänner den Final auszutragen. Michael Wüthrich wurde dabei seiner Favoritenrolle gerecht. Mit dem fahrsporterfahrenen Freibergerpferd Navaro blieb er wie Joel Huber fehlerfrei, doch die kleinere Abweichung zur Idealzeit sprach am Schluss für ihn. Dritter im Juniorencup-Finale wurde Lukas Maier.
Im Vorprogramm der Fohlenauktion hatten auch acht Nachwuchsfahrer und ihre Göttis ihren Auftritt. Die Nachwuchsfahrer zeigten im Derbyparcours ihren Spass am Fahren und freuten sich über den «Götti-Bazen». Um sich den Stand der Nachwuchsarbeit anzusehen, war die ehemalige Fahrsportpersönlichkeit Andreas Meister mit seiner Frau Monica extra aus Thailand angereist. Als glücklicher Götti des neuen Einspänner-Schweizermeisters machte er vielen anderen Mut, sich nun aktiv für den Nachwuchs einzusetzen und die Zukunft nicht mit Reglementen und Beschränkungen zu verbauen. «Es braucht mehr Freude und Spass an der Sache, und dann kommt ja alles wieder gut», meinte er zuversichtlich.
Bilder: Andrea Derungs