Eine uneinehmbare Festung in den südlichen Alpen – UNESCO Welterbe: Die Burgen von Bellinzona

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’Bellinzona als „Schlüssel und Tor zu Italien’. Kein Wunder, dass dieser Schlüssel begehrt war und geschützt werden musste. Der Schutz bestand aus den drei Burgen von Bellinzona, den Tre Castelli….“

„Vielleicht fangen wir von vorne an“, sagte der Ritter und musterte mich mit seinen grauen Augen. „Schon ca. 5500 vor Chr. wurde der Hügel von Castelgrande in Bellinzona besiedelt. Unter Kaiser Augustus wurde der alpenländische Raum in mehreren Feldzügen ins römische Reich integriert. Die Römer machten sich die über 5000 Jahre weiterentwickelte Siedlung zu Nutzen und errichteten auf dem Felsrücken des Castelgrandes ein Kastell. Im 4. Jh. wurde dieses zu einer weitläufigen Wehranlage ausgebaut. Lange Zeit galt das Castelgrande, oder Castel Magnum, wie es im Lateinischen heisst als uneinnehmbar“.

Strategische Bedeutung von Bellinzona

Bellinzona galt nicht nur als Tor zu Italien, von dem sich die Wege zu Wasser und Lande bis runter in die Lombardei verzweigen, sondern in dieser Talenge laufen so viele Pässe zusammen wie kaum sonst in den südlichen Alpen. Nuefenen, Gotthard, Lukmanier, San Bernadino, aber auch die Pfade über die Greina und die Ost-West-Route Domodossola-Centvalli-San Veltin waren schon in frühester Zeit Verkehrswege in den Süden.

Früh- und Hochmittelalter

Die Auflösung des weströmischen Reichs im 5. Jh. hatte keine Auswirkungen auf die militärischen und zivilen Strukturen in Bellinzona. Die katholische Kirche unterstützte die regionale Administration, die wiederum die Grundlage der langobardischen Machtentfaltung im 6. Jh. war. Bellinzona diente in dieser Zeit als Verteidigungstätte gegen die Einfälle der Franko-Allemannen. In den Kämpfen zwischen Langobarden und den fränkischen Karolingern im 8. Jh. bekam Bellinzona allerdings keine Rolle zugeteilt.

Durch das Ende der Karolingerherrschaft wurden Oberitalien und dem Tessin unruhige Zeiten beschert und so diente die alte Wehranlage nicht nur den Langobarden und anderen lokalen Fürsten als Stützpunkt, sondern auch die Bevölkerung suchte jetzt die Anlage zum Schutz auf. Unter der ottonischen Herrschaft erhielten die Alpenpässe als Verkehrsrouten wieder an Wichtigkeit und somit rückte auch Bellinzona in den Blickpunkt der Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation und am Ende des 12. Jh. befindet sich Bellinzona fest in staufischer Hand. Friedrich Barbarossa stellte 1180 die Anlage unter die Herrschaft der kaisertreuen Kommune von Como.

Mit dem Ende der Stauferherrschaft 1250 wurde Bellinzona in die Auseinandersetzung der oberitalienischen Machthaber hineingezogen und blieb für Jahrzehnte umstritten. Schon vor dieser Zeit wurde die Mark- und Transitsiedlung östlich des Castelgrandes in eine Stadt umgewandelt und erhielt eine Ringmauer. Zu Beginn des 13. Jh. wurde östlich der neuen Stadt das Castello di Montebello errichtet.

Spätmittelalter

Im Jahre 1340 ging Bellinzona an die Visconti von Mailand über. Unter der Herrschaft der Visconti erreichte Bellinzona seine eigentliche Grösse mit der Errichtung der dritten Burg Sasso Carbo und den umfangreichen Erweiterungen. Der Ausbau der Anlage diente dem kriegerischen Vordringen der Eidgenossen. Die damals errichteten Türme, Mauern, Zinnen und Tore dieser imposanten Anlage lösen auch bei mir grosses Erstaunen aus. „Erst der Zerfall der Herrschaft der Mailänder Herzöge gab den schweizerischen Eidgenossen die Chance die anscheinend nicht zu bezwingende Feste in ihre Hand zu bekommen“, erzählt der Ritter weiter.


Die Zeit nach 1500

„Bellinzona ging aufgrund der langen Bestrebungen der innerschweizerischen Kantone im Jahre 1516 an Uri, Schwyz und Nidwalden über und war Teil der alten Grafschaft bis 1789. 1803 übernahm das neu gegründete Kanton Tessin den Besitz der drei Burgen. Montebello und Sasso Carbaro verfielen zu Burgruinen und Castelgrande diente zuerst als Zeughaus und ab 1820 als Kantonsgefängnis. Grosse Sicherheitsmassnahmen und Restaurierungsarbeiten begannen 1920 und wurden 1992 fertig gestellt.

UNESCO Welterbe

Im Jahre 2000 wurden die Tre Castelli in die UNESCO Welterbeliste aufgenommen. Sie erfüllen das Kriterium IV (hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften dar, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen).

Die drei Burgen von Bellinzona sind die noch einzigen im gesamten Alpengebiet erhaltenen Militäranlagen und somit bedeutende Zeugen der Befestigungsbaukunst im alpenländischen Raum und der Schweiz. Zu dem Welterbe gehören das Castelgrande, das Castello di Montebello und das Castello di Sasso Corbaro. Daneben existieren die Stadtbefestigung und die Murata, eine mächtige Sperrmauer die ursprünglich bis an das rechte Ufer des Ticino reichte.

Eindrucksvoll und imposant – Zeugnis einer ganzen Region Europa, diese Gedanken kommen auf wenn man vom Castello di Sasso Corbaro auf die anderen zwei Burgen und die Stadtbefestigung schaut. Ich drehe mich um, damit ich mich bei meinem Ritter bedanke, der mir so eindrucksvoll die Geschichte der Tre Castelli darstellte. Aber er ist schon aus meiner Sichtweite und nur die Hufschläge seines Pferdes und das Rasseln seiner Waffen sind noch zu hören.